Vermutlich werden die meisten von Ihnen nun vor Empörung aufschreien – zu Recht. Andere werden vielleicht zustimmen. Doch das ist gewiss nicht meine persönliche Meinung – ganz und gar nicht. Es ist vielmehr eine Ableitung, die sich aus einer Zustandsbeobachtung heraus aufdrängt. Leider.
Schließlich liegt der Frauenanteil im IT-Bereich bei verschwindend geringen 15 Prozent. Speziell im Bereich der Softwareentwicklung ist dieser Prozentsatz noch kleiner. Ein Zustand, der gerade in Zeiten der omnipräsenten Digitalisierung und dem damit einhergehenden dramatischen Fachkräftemangel zum Nachdenken nicht nur anregt, sondern zwingt: Warum ist das so? Wie kann es sein, dass trotz dieses immensen Fachkräftebedarfs der Frauenanteil quasi nicht existent ist? Wieso nutzen wir nicht – auf wirtschaftlicher Ebene – das volle Potenzial unserer Spezies, indem wir alle Geschlechter gleichermaßen in den rasant fortschreitenden digitalen Wandel einbinden?
Eine historische Betrachtung der IT-Geschichte zeigt nämlich, dass Frauen gerade in der Frühgeschichte des Computers (1930 – 1950) einen dominierenden Anteil stellten. Insbesondere beim Prozess der Umsetzung des Programms in die Maschinensprache wurden Frauen eingesetzt. Dies änderte sich erst mit der Weiterentwicklung der Computerarbeit in den 1950er Jahren. Fortan sollte die Informatik nach und nach ein von Männern dominierter, ja gar beherrschter Bereich werden. Heute, Jahrzehnte später und trotz augenscheinlichem Siegeszug der weiblichen Emanzipation, möchte man diese ungleiche Geschlechterverteilung im IT-Bereich auf eine naturbedingte Genderfrage im Sinne einer biologischen Unfähigkeit der Frau zurückführen. Darf man aber nicht. Denn das wäre schlichtweg dumm.
Auf dem Wege zur Beantwortung unserer Ausgangsfragen richten wir den Blick nun auf die aktuelle Lage. Auf das Hier und Jetzt. Dabei können wir tatsächlich die biologischen Unterschiede der Geschlechter betrachten: Frauen bekommen Kinder. Männer nicht. Eine simple und soziokulturell doch sehr weitreichende Wahrheit. Obwohl ein erfolgreicher Reproduktionszyklus im Sinne beider Geschlechter ist, sind Frauen aus Karrieresicht immer noch die Leidtragenden. Die Elternzeit für Frauen kann gut und gerne Mal ein Jahr oder länger betragen, wonach der Wiedereinstieg in den Beruf weiterhin mit großen Hürden verbunden ist – denn auch nach einem Jahr muss sich jemand um den Nachwuchs kümmern und in der Regel ist das eben die Frau. Ganz zu schweigen von der Schnelllebigkeit der IT und der damit verbundenen Notwendigkeit der ständigen Weiterbildung: Man bzw. Frau muss am Ball bleiben. Die Elternzeit für Männer hingegen beträgt in aller Regel mit Mühe und Not drei Monate. Oftmals aus ebenjenen karrieretechnischen Gründen, die für Frauen gleichermaßen gegeben sind, eigentlich. Doch tatsächlich gestaltet sich für Frauen das Verwirklichen einer erfolgreichen Karriere im IT-Bereich als äußerst schwierig, nachdem Sie Familienzuwachs bekommen haben. Zwar lässt sich die soziokulturelle Einstellung der Wirtschaftswelt in Hinblick auf eine gerechte Sorgfalts- und Pflichtenverteilung bei der Familiengründung nicht schlagartig ändern – paradoxerweise zum Leidwesen eben jener Wirtschaftswelt, die händeringend nach Fachkräften sucht. Aber die größten Veränderungen entspringen manchmal aus den kleinsten Anstößen:
Das Projekt „IT&me“, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), sucht nach Strategien zur Durchsetzung von Chancengleichheit von Frauen in Bildung und Forschung. Konkreter: Im Fokus steht die Konzeption, Umsetzung und Evaluation einer modellhaften, multimedialen Weiterbildungsplattform in der IT-Expertinnenbildung durch den Einsatz verschiedener Lernstrategien und unter Berücksichtigung unterschiedlicher Lebenssituationen. Realisiert wird das ehrgeizige Projekt durch die Zusammenarbeit als Verbund zwischen der CampusLab GmbH, unter der Konsortialleitung der Universität Duisburg-Essen und der Hochschule Heilbronn. Hierzu sollen aktuelle Konzepte wie Micro-Learning und verschiedene modulare Medienformate eingesetzt werden, wie z.B. Videos, Online-Seminare, Simulationen etc. Mit dieser gezielten fachdidaktischen Aufbereitung der Inhalte soll es für IT-Expertinnen ermöglicht werden, in besonderen Lebenssituationen den Anschluss an die schnelllebige IT-Welt zu behalten. Die Entwicklung der innovativen Micro-Learning-Plattform wird in einem agilen, iterativen Vorgehensmodell umgesetzt, das insbesondere durch die Integration partizipativer Methoden auf die Bedürfnisse der Zielgruppe optimiert wird. Im Rahmen von regelmäßig stattfindenden Workshops werden, mit aktiver Teilnahme potentieller Nutzerinnen der Plattform, im Entwicklungsprozess Anforderungen formuliert und erfasst. Diese werden kritisch auf eine Gender-Perspektive analysiert und Alternativen erarbeitet, um die Festschreibung von Stereotypen in Endprodukten zu vermeiden. Auf Basis gewonnener Erkenntnisse werden inhaltliche, didaktische und technische Konzepte abgeleitet, die – angereichert durch ebenfalls speziell auf die unterschiedlichen Zielgruppen abgestimmte Feedbackmechanismen – das Fundament für die Umsetzung der Plattform bilden. Die Projektlaufzeit ist auf drei Jahre angesetzt und endet am 31.12.2019.
Projektbeteiligungen durch engagierte Unterstützerinnen sind uns herzlich willkommen: Sie können sich jederzeit als Interviewpartnerin, Testperson oder durch das Ausfüllen eines Fragebogens am Projekt beteiligen. Treten Sie hierzu gerne in Kontakt mit uns und helfen Sie dabei, unsere Weiterbildungsplattform zu realisieren. Das Schaffen von gendergerechten Ausgangs- und Weiterbildungssituationen für alle potenziellen IT-Fachkräfte ist nämlich kein Luxuswunsch einer gelangweilten Gesellschaft, sondern ein notweniger und längst hinfälliger Schritt in einer gänzlich digitalisierten Welt.
(Das Verbundprojekt „IT&me“ wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter den Förderkennzeichen 01FP1616, 01FP1617 und 01FP1618 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt (der Webseite, der Homepage, der Publikation) liegt bei den Autorinnen und Autoren.)